Auch im Firmenkundengeschäft mischen Start-ups die Bankenwelt zunehmend auf
Dieser Text ist erschienen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 33, 8. Februar 2020
Die Liste der Kunden ist manchmal das wichtigste Argument im Werben um neue Kunden. Wenn Großkonzerne wie Nestlé, Vattenfall und die Lufthansa auf die Dienste eines noch recht kleinen Fintech-Startups setzen, dann werfen auch andere große Unternehmen eher einmal einen Blickdarauf. „Mit jedem neuen Namen bekommen wir mehr Glaubwürdigkeit“, sagt Frank Lutz, Vorstandschef von CRX Markets. Und Glaubwürdigkeit ist für das Finanz-Start-up ein hohes Gut – bietet es doch eine Plattform, über die große Konzerne die Rechnungen ihrer Zulieferer von Banken und anderen Finanzpartnern zwischen finanzieren können. Jüngster Zuwachs auf der Kundenliste, auf den Lutz besonders stolz ist: Daimler.
Den Begriff Fintech verbindet man meistens nur mit Start-ups, die sich mit neuen technischen Ideen irgendwo in die Verbindung von Banken zu ihren Privatkunden zwischenschalten. Doch auch im Firmenkundengeschäft mischen die jungen Wilden der Finanzbranche immer stärker mit. Das große Vorbild ist 360T, das in Windeseile vom Start-up zu der Plattform geworden ist, über die fast alle Dax- und viele M-Dax Konzerne ihren Devisenhandel abwickeln und das vor fünf Jahren für 725 Millionen Euro von der Deutschen Börse gekauft wurde. Hinter CRX Markets stehen die gleichen Gründer.
CRX versucht eine solche Plattform nun für die Lieferkettenfinanzierung aufzubauen. Das läuft dann zum Beispiel so ab: Nestlé bekommt eine Lieferung über 50 Tonnen Kakao samt Rechnung, die in 120 Tagen zu zahlen ist. Im Normalfall würde ein guter Treasurer (Schatzmeister) diese 120 Tage voll ausreizen, um das Geld möglichst lange im Unternehmen zuhalten. In der Lieferkettenfinanzierung sieht es dann so aus, dass Nestlé die Forderung von einem Zwischenfinanzierer begleichen lässt und ihm zusichert, die Rechnung nach den nächsten 120 Tagen zu bezahlen.
Für den Lieferanten hat das den Vorteil, dass er schneller an sein Geld kommt. Er bekommt quasi einen Überbrückungskredit von dem Finanzierer, der ihm dafür aber die gleichen Konditionen bietet, wie er Nestlé bieten würde. Dem Schweizer Großkonzerngewährt der Finanzierer darüber hinaus dann im Idealfall noch ein späteres Zahlungsziel, sodass der auch etwas davon hat.
„Lieferkettenfinanzierung ist umso interessanter, je größer der Unterschied der Bonität zwischen Lieferant und Abnehmer ist“, sagt Lutz. Denn natürlich würde ein Kakaoproduzent aus Ghana von einer deutschen Bank – wenn überhaupt – dann auch nur zu sehr hohen Zinssätzen einen Kredit erhalten; wenn Nestlé der Vertragspartner ist, sieht das direkt ganz anders aus. „Der Kakaolieferant kann sich quasi zu den Konditionen von Nestlé finanzieren“, sagt Lutz. Gerade bei teuren Zulieferungen wie etwa in der Autoindustrie kann die unmittelbare Bezahlung der Rechnung auch die Existenz der Zulieferer sichern – was wiederum für die Sicherung der Lieferkette gut ist.
Lieferkettenfinanzierung an sich ist nichts Neues. CRX Markets hat nun aber voreinigen Jahren eine Art Marktplatz für solche Forderungen aufgebaut. Unternehmen wie Nestlé können dort, wenn sie die Ware erhalten und für gut befunden haben, alle Forderungen ihrer Lieferanten hochladen; an die Plattform angeschlossene Finanzierer können dann diese Forderungen ersteigern. Als Preise dienen die Konditionen, die sie für die Finanzierung bieten.
40 solcher Finanzierer hat CRX inzwischen an seine Plattform angebunden. Darunter sind viele Banken wie etwa die Helaba, die BayernLB und Santander, aber auch einige Family Offices und andere Nicht-Banken, die in Zeiten der knappen Anlagemöglichkeiten nach immer neuen Wegen suchen, ihr Geld sinnvoll und möglichst gewinnbringend zu nutzen. Das Spektrum an Rechnungen, die eingestellt werden, ist groß. Der kleinste Betrag waren bislang 300 Euro, wie Lutz sagt. Die größte bislang auf die Plattform gestellte Rechnung habe 50 Millionen Euro betragen. Laut dem Vorstandsvorsitzenden wurden im Jahr 2018 insgesamt 1,8 Milliarden Euro über die Plattform finanziert, im vergangenen Jahr waren es dann schon 2,5 Milliarden Euro.
Aus Sicht der Unternehmen vereinfacht die Plattform vieles. Die Programme von CRX können sie direkt in ihre Computersysteme integrieren. Das ist zwar ziemlich aufwendig und es können schon einmal eineinhalb Jahre vergehen, bis ein Unternehmen „livegehen“ kann. Danach aber entfällt laut Lutz sehr viel komplizierter E-Mail-Verkehr mit den Banken und durch die Versteigerung der Forderungen kann bei den Konditionen gespart werden.
„Die Plattform von CRX Markets bietet uns einen einheitlichen Zugang zu unseren Lieferanten und ist ideal dafür, die Partnerschaft mit unseren Lieferanten zu stärken“, lässt sich Lee Edwards, der Group Treasurer von Nestlé von CRX zitieren. Alexander Pewellek, der die Lieferkettenfinanzierung der Lufthansa leitet, hebt hervor, dass CRX die Finanzierung dann auch unabhängig von einzelnen Banken ermöglicht.
CRX ist aber nicht das einzige Unternehmen, das eine solche Plattform anbietet. In Deutschland ist vor allem Trustbills bekannt, hinter der unter anderem die DZ-Bank und die Deutsche Bank steckten. Vor gut einem Jahr musste das Unternehmen aber überraschend Insolvenz anmelden, offenbar weil sich die Eigner über das weitere Vorgehen nicht einig waren. Ansonsten sind vor allem amerikanische Anbieter im Markt.
Lutz sieht CRX nun in Deutschland als klaren Marktführer und hofft auf ein noch schnelleres Wachstum durch die Netzwerkeffekte. So habe allein Nestlé inzwischen 200 Lieferanten an die Plattform angebunden, die nun wiederum ihre Handelspartner hinzuholen könnten. Daimler ermöglicht einen Eintritt in den wichtigen Autozulieferermarkt. Auch könnten die schon angebundenen Unternehmen ihre Aktivitäten immer weiter ausweiten. So habe Nestlé CRX zunächst für seine Kaffee-Sparte benutzt und nach und nach auch die Lieferketten von Kakao und Frühstückscerealien auf die Plattform gehoben.
CRX wird bislang nur von einem Kreis von „Freunden und Familienmitgliedern“ der Gründer finanziert. Bislang war der Kapitalbedarf aber auch noch überschaubar. Im vergangenen Jahr hat CRX eine Kapitalerhöhung übersechs Millionen Euro gemacht; da war das Unternehmen laut Lutz mit 65 Millionen Euro bewertet. Langsam werde es Zeit, auch externe Investoren zu suchen.